07/1995 - Mein
Barkas und ich
Autor: Monika
Sarach
Die kurze Barkas-Ehe begann mit einem Unfall meines
damals betagten Audi 100, Baujahr 1979. Am 17. Juni 1995
geschah mittags gegen 12.00 Uhr ein heftiger Zusammenstoss
mit einem Golf III und sorgte für das vorzeitige Aus
des betagten alten Herrn tags zuvor frisch in der Werkstatt
zur Inspektion und Vor-Urlaubs-Durchsicht.
Die Reparaturkosten waren zum damaligen Zeitpunkt einfach nicht
drin Blechschaden mindestens 1500 DM lautete ein Kostenüberschlag
der Werkstatt. "Wirtschaftlicher Totalschaden!" Verschrotten?
Nee, das nicht!!! So setzte ich das alte Vehikel kurzerhand
abgemeldet in die Garage man kann ja nicht wissen! Na klasse
woher jetzt mal eben schnell ein Auto nehmen und nicht
stehlen?
Brüderchen hatte die Lösung parat: "Ich hab' da
noch 'nen Barkas in der Rhön in der Scheune steh'n
muss nur 'nen bisschen was dran gemacht werden! Die Teile sind
aber auch schon alle da!"
Ein paar Tage später holte Michael den Barkas aus der Rhön
ab und brachte auch gleich alle benötigten Teile aus seinem
Lager mit. So stand dann eines Nachmittags der Barkas mit neuem
ATMotor, ATGetriebe, ATKupplung und weiteren
grossen und kleinen Ersatzteilen auf der Ladefläche auf dem
Parkplatz. "Was denn, mit dem soll ich schon ein paar Tage
später in Urlaub fahren?" Wir hatten ziemlich genau
4 Wochen Zeit, um das Fahrzeug flott und TÜV-fertig
zu machen. Es war eine elende Schrauberei und Basteiei. Nach Feierabend
immer wieder nur dieser eine Weg zur "Barkas-Baustelle".
Gott sei Dank brauchten wir kein Schweissgerät der
Unterboden sah noch recht gut aus. Aber die äussere Haut
brauchte doch dringend weitgreifende Sanierung. Ausserdem mussten
Motor, Getriebe, Kupplung und weitere 1000 Kleinigkeiten
getauscht und begutachtet werden.
Wir fingen zunächst an, dem äusseren Kleid mit Rostumwandler,
Bürste, Schmiergelpapier und Spachtelmasse ein neues Aussehen
zu verpassen. Jede freie Minute hockten wir am Barkas und arbeiteten,
was das Zeug hielt. Bald sah er aus wie eine gescheckte Kuh: Grundfarbe
ockergelb, darauf Flecken von hellgrauer Spachtelmasse, dunkelgrauer
Grundierung und rotbraunem Rostumwandler! An einigen Stellen hatten
wir ausprobiert, ob die neu angemischten Farben passten. Rund
um den Barkas hatten wir Körbe und Kästen mit Zubehör
verteilt, dazu Werkzeug und Verpflegung. Es sah aus wie auf einer
Grossbaustelle!
Nach zwei Wochen war von der bunten Kuh nicht mehr viel zu erkennen.
Der Barkas hatte eine einheitlich ockergelbe Farbe bekommen
abgesehen von einigen Roststellen, die später noch behandelt
werden sollten oder durch Austausch mit Ersatzteilen nicht bearbeitet
zu werden brauchten, z.B. die Klappe vor der Heizung oder der
Deckel zum Tankstutzen. Da war Michael grosszügig und spendierte
neue Teile, die grundiert waren und nur noch die endgültige
Farbe aufgetragen bekamen. So stand der Barkas dann äusserlich
(optisch) in Ordnung da und wir begannen, an der Technik
zu werkeln. Der ockergelbe Barkas wurde mit Hilfe eines bordeauxroten
Barkas auf zwei Rampen gezogen, damit wir an den Motorbereich
kamen und hier weiter arbeiten konnten.
Mit vereinten Kräften und mehreren Wagenhebern wurden Getriebe
und Motor ausgebaut und die neuen Austauschteile an die richtigen
Positionen gebracht. Millimeterarbeit!!! Schliesslich waren ATMotor
und ATGetriebe an ihrem Platz und konnten angeschlossen
werden. Als auch das sass, kümmerten wir uns noch um die
Abgasanlage.
Doch alle Arbeit hat auch mal ein Ende! 5 Tage vor meinem
Urlaub war der Barkas endlich fertig und konnte für den TÜV
vorbereitet werden.
Der Barkas konnte zu seiner ersten Spritztour starten und tat
dies gründlich: Mit grau-blauen Qualmwolken machte er sich
bemerkbar und nebelte die Nachbarschaft gründlich ein
nach Zwei-Takt-Manier!!! So war er weder zu übersehen noch
zu überriechen - auch nicht verkehrt, denn es
spart Lichthupe und Signalhorn! Also fuhren wir zunächst
in eine Werkstatt, in der die Lenkung überprüft und
die Abgasuntersuchung gemacht werden sollte. Und auch hier verhielt
er sich wieder Zwei-Takt-Gültig: Er räucherte
in die Werkstatt! Als der Barkas nämlich endlich auf der
Hebebühne stand, war von der Werkstatt und ihren Toren nichts
mehr zu sehen hinter Zwei-Takt-Qualm aufgelöst und
verschwunden!
Eindeutiger geht es wirklich nicht: Mit genauem Hinsehen erkennt
man gerade noch die beiden Rampen, sonst nichts! Und der Barkas
ist wirklich auf dem Foto zu sehen!!!
Nachdem noch die Voreinstellungen fertig waren, konnten wir den
Barkas endlich über den TÜV bringen. Anstandslos erhielt
er die so begehrte Plakette, und damit war der Urlaub auch endlich
gerettet. Nachdem ich auf Essener Stadtgebiet einige Proberunden
gedreht hatte, gewöhnte ich mich an das andere Fahrverhalten,
wie z.B. das Tanzen in Spurrillen und das bewusste Spiel zwischen
Gas und Leerlauf, auf das Michael mich immer wieder hinwies.
Am 22. Juli 1995 startete ich nachts um 0.00 Uhr in Richtung Allgäu.
Die Reise ging nach Füssen. Für die 680 km lange
Tour brauchte ich damals immerhin 12 ½ Stunden.
Doch zum Beweis, dass der Barkas einige Tage später sogar
bis auf den Fernpass fuhr (ohne Stottern und Meutern), folgt hier
noch das Beweisfoto, dass auf dem Fernpass entstand:
Zum Schluss vielleicht noch eine kleine Geschichte, die davon
zeugt, dass ZweiTakter nicht immer bekannt und überall
sind:
Die Barkas-Fans wissen, dass das gute Stück als Nahrung ZweiTakGemisch
braucht. Michael erklärte mir damals, das der Takt gut 40 Liter
fasst und dazu noch 1 Liter ZweiTaktÖl
(natürlich selbstmischend) gehört. Bei den Tankstopps
musste ich mir also immer Tankstellen aussuchen, wo ich ohne Probleme
ZweiTaktÖl kaufen konnte (obwohl ich auch immer
einen kleinen Vorrat spazierenfuhr!).
Bei einem dieser Tankstopps ging ich also in den Verkaufsladen,
griff mir 1 Liter ZweiTaktÖl und sagte
dem Tankstellenmenschen: Ich komme gleich nach dem Tanken
bezahlen! Ich ging also zurück zu meinem Barkas und
schüttete das Öl in den Tankstutzen, als plötzlich
ein aufgeregter Tankstellenmensch neben mir stand und rief: Halt,
doch nicht in den Tank! Ich muss ihn im ersten Moment ziemlich
verständnislos angesehen haben und fragte ihn: Wohin
denn sonst? Da fiel mir ein, dass es ja nicht unbedingt
selbstverständlich war, Öl zu tanken! Ich erklärte
ihm dann, dass dies ein Fahrzeug mit ZweiTaktMotor
sei, das dadurch natürlich ein Gemisch bräuchte, das
mit diesem Öl schnell entstünde. Das fassungslose Gesicht
des Tankstellenmenschen sehe ich heute noch vor mir!!!
Allen Barkas-Fahrern weiterhin eine gute Fahrt!
Eine ehemalige Barkasfahrerin.
P.S.: Den Barkas musste ich leider mit einer defekten Kühlung nach gut 7 Montaten wieder abgeben, da ich auf ein zuverlässiges Fahrzeug angewiesen war und keine Zeit mehr für Schraubereien und Basteleien hatte.